Unter dem Rheingrafenstein


In weit ausufernden Bögen fließt vom Disibodenberg die nun mit dem Glan vereinigte Nahe auf die rheinhessische Ebene zu. Zwischen den Kurorten Bad Münster am Stein-Ebernburg und dem Radon-Heilbad Kreuznach steigern sich die Landschaftsformen zuvor noch einmal zu atemberaubenden Szenerien mit dem Rotenfels (327 m) als höchster Felswand in Deutschland nördlich der Alpen und dem bizarr aufragenden Rheingrafenstein.
Zunächst beherrscht aber der über dem Wasserspiegel des bei Niederhausen aufgestauten und hier zu einer naturschönen Seefläche verbreiterten Flüßchens sich aufwölbende Lemberg (422 m) die weite Umgebung. Dieser bewaldete "König der Naheberge" mit einer zum Schaubergwerk ausgestalteten Quecksilbermine (Schmittenstollen), seinem an seltenen Pflanzen- und Tierarten reichen Naturschutzgebiet, alten Steinbrüchen (Waldsee) und dem Fundort eines römischen Merkurtempels offenbart, wenn man von Oberhausen über Feilbingert zur (bewirtschafteten) Lemberghütte fährt oder wandert, einen wunderschönen Panoramablick über das Tal bis hinüber zu den Soonwaldhöhen.
Gleich drunten liegt das schon 976 erstmals erwähnte Weindorf Oberhausen an der hun-dertjährigen Luitpoldbrücke. Auf dieser verkündet eine von Reliefschmuck umrahmte Gedenkplatte: »Erbaut unter der Regentschaft Seiner Königlichen Hoheit Prinz Luitpold von Bayern Anno Domini 1889.« Niederhausen lohnt einen Besuch wegen seiner romanischen Pfarrkirche (12. Jh.), darin ein sterngewölbter Chor der späten Gotik sowie ausgezeichnete Fresken (13.-15. Jh.) mit biblischen Motiven, Apostelbildern und in phantasiereichen Szenen erzählten Heiligenlegenden. Das ornamentale Weinlaub, das diese Gemälde umrankt, weist auf den kulturhistorisch und noch heute florierenden Anbau von Rebstöcken hin.
Das benachbarte Norheim (neugotische Kirche von 1864 mit Chorturm des 13. Jh.) wurde bereits 766 im Codex des Klosters Lorsch als Dorf der Winzer hervorgehoben. Bevor man von hier unter dem Rotenfels weiter- und nach Bad Münster bei dem Rheingrafenstein fährt, sei aber noch eine Exkursion zu den kunsthistorisch wichtigen Stätten zwischen Disibodenberg und Sponheim angeraten.

Da liegt z. B., noch in Sichtweite der Klosterruinen, das kleine Dorf Boos, dessen Kirchturm (12. Jh.) deshalb leicht zur Seite geneigt ist, weil er sich auf den noch erhaltenen Gewölben einer Römervilla (Badeanlage) erhebt. Zusammen mit dem auf toskanischen Säulen einer offenen Halle ruhenden Fachwerkgeschoß des Rathauses (18. Jh.) bildet dieses romanische Monument eine ausgesprochen stimmungsvolle Baugruppe. Nur ein kurzes Straßenstück ist es von hier naheabwärts zum Niederthäler Hof und zur Staatlichen Weinbaudomäne gegenüber Niederhausen.
 Aus diesem freundlichen Landschaftswinkel führt steil der Weg hinauf nach Schloßböckelheim, wo unweit der kleinen Dorfsiedlung von der einst mächtigen Burg nur noch klobige Mauerreste künden. 824 wurde Schloß Böckelheim als Sitz eines Grafen Alberich genannt. Die nachmalige Reichsburg der Salier sah im Dezember 1105 Kaiser Heinrich IV. als Gefangenen seines Sohnes Heinrich V., und es wurde überliefert, daß in der Christnacht der gedemütigte Herrscher im Verlies denkwürdigen Besuch erhielt: »Ritter Hildebert von Böckelheim war Burgvogt. Seine beiden Kinder, Hildebert und Hildegardis — die spätere heilige Äbtissin zu Disibodenberg und Gründerin des Klosters Rupertsberg — bekümmerten sich um den stillen fremden Mann, der Knabe faßte ein Herz zu ihm, aber die kleine Heilige, als sie hörte der Zorn der Kirche ruhe auf ihm, schreckte zurück und wollte für ihn beten.«
 Kurz nach dieser Episode gelangte Böckelheim als Lehen des Bistums Speyer an die Grafen von Sponheim, 1279 an die Mainzer Erzbischöfe, 1471 an Kurpfalz und wurde 1620 von spanischen Truppen erobert. Noch mehrmals wechselte die heißumkämpfte Feste ihre Herren: 1632 drangen Schweden ein, 1636 Franzosen und 1643 Kroaten. Letztlich, nach solchen Wirren im Dreißigjährigen Krieg, behielt Frankreich die Oberhand und ließ 1688 die Wehranlagen schleifen. Als edler Umriß zeigt sich schon aus der Entfernung die neugotische evangelische Pfarrkirche (1863-67) hoch über dem benachbarten Waldböckelheim. Auch die katholische Pfarrkirche St. Bartholomäus ist eine Schöpfung des 19. Jh. (1833-36) mit einer monumentalen doppeltürmigen Fassade. Als Hauptsehenswürdigkeit gilt jedoch die einstige kurmainzische Faktorei (1575) an der Hauptstraße mit ihrem von herrlichen Reliefs verzierten dreigeschossigen Erker. Ornamentale und figürliche Motive umrahmen interessante Bildnismedaillons; an der Hofmauer wurde eine Reihe von Konsolen mit grotesken Masken versehen.
 Zwischen Waldböckelheim und dem Sobernheimer Ortsteil Steinhardter Hof (dort auch Fundstellen der fossilträchtigen Steinhardter Geröll-"Erbsen") verbirgt sich abseits der B 41 der aus einem ehemaligen Kloster der Wilhelmiten hervorgegangene Marienpforter Hof (1567) als Renaissancearchitektur in einem einsamen Seitentälchen, das schon zur Römerzeit besiedelt gewesen ist. Durch den Waldböckelheimer Wald führt eine Seitenstraße nach Bockenau im oberen Ellerbachtal. Dort zeigt sich die evangelische Kirche als Saalbau von 1748 unter hohem Dachreiter, während die katholische Laurentiuskirche (1905) einen angeblich aus Kloster Sponheim stammenden Barockaltar (um 1750) mit einem Gemälde des Schutzheiligen birgt. Eine Töpferei im Ort stellt noch bäuerliche Keramik nach landestypischer Machart her. Sehenswert ist auch das Rathaus (1846), ein stilistisch kurioses Gebäude, das sich gleichwohl als aufmerksamkeitheischender Blickfang gibt.

In nördlicher Richtung, den Ellerbach aufwärts, gelangt man als nächstes nach Winterburg, das unter die sehenswertesten Idyllen im Vorland des Soonwaldes zu rechnen ist. Die gleichnamige Burg, von der nur geringe Relikte noch blieben, gehörte stets zur sponheimischen Herrschaft. Unter dieser 1325 erstmals erwähnten Anlage erhielt der bescheidene Ort 1330 Stadtrechte. Als er 1707 an die Markgrafen von Baden kam, war die Burg bereits durch die Franzosen (1689) in Schutt und Asche gelegt worden. Das 1747 vor dem Burggraben errichtete Amtshaus wird heute als Schullandheim genutzt.
Über eine Bachbrücke erreicht man in der Talenge des Dorfes die mit einem opulenten Portalvorbau recht gediegen wirkende evangelische Pfarrkirche (1782-84; Stumm-Orgel um 1790). Ihr Bau wurde ein Jahr nach dem Tod des Ortsgeistlichen begonnen, der als Mitbegründer der sogenannten Anakreontik, einer seinerzeit berühmten Gattung barocker Lyrik, einen vorzüglichen Ruf genoß. Goethe pries ihn, und Herder verlieh ihm den löblichen Beinamen "Winterburger Nachtigall": Es war Johann Nikolaus Götz (1721-812), der seine letzten zwei Lebensjahrzehnte hier am Ellerbach zugebracht hat. Der Volksschriftsteller W. 0. von Horn, der später in Sobernheim als Seelsorger wirkte, hat sein Andenken durch die Erzählung >Wallfahrt nach Winterburg< lebendig gehalten und berichtete bereits 1844 davon, daß Verehrer zu Götz' Grabstätte auf dem Friedhof oberhalb des Dorfes regelrecht gepilgert sind. Unter einer Linde ist dort auf einem Soonwaldfindling das von Carl Cauer geschaffene Porträtrelief des Dichters angebracht, von dem die sicher zeitlos gültigen Verse stammen:

Die Welt gleicht einer Opera,
wo jeder, der sich fühlt,
nach seiner lieben Leidenschaft,
Freund, eine Rolle spielt.

Der eine steigt die Bühn' hinauf
mit einem Schäferstab,
ein andrer mit dem Marschallstab
sinkt ohne Kopf herab.

Wir armer guter Pöbel stehn verachtet,
doch in Ruh,
vor dieser Bühne, gähnen oft,
und sehn der Fratze zu.

Die Kosten freilich zahlen wir
für's ganze Opernhaus,
doch lachen wir, mißrät das Spiel,
zuletzt die Spieler aus.

Nicht weit vom Winterburger Friedhof mündet die von Rehbach, Eckweiler und Pferdsfeld herunterführende Straße in den Ellerbach-Talweg. Die drei Orte, fast wie zur Bestätigung jener von Götz bedichteten " Opera ", existieren nicht mehr. Sie standen, wenngleich allesamt ehrwürdigen Alters, zu dicht am militärischen Sicherheits- bzw. Lärmschutzbereich des Fliegerhorstes Pferdsfeld und mußten deshalb vor einigen Jahren aufgegeben und einplaniert werden. An Rehbach erinnert ein schlichter Stein (»Verweile und gedenke«), während Eckweilers Kreuzkirche (um 1500) als kostbares Baudenkmal der Spätgotik einsam auf der jetzt gänzlich häuserlosen Flur stehengeblieben ist.
Mehrere Straßen führen aus dieser Gegend ins weitläufige Forstgebiet des Soonwaldes, dem auch Sponheim am südlichen Abhang des Gauchsberges vorgelagert ist. Im hochgelegenen Dörfchen Burgsponheim ragt noch 22 Meter der mächtige, mit Buckelquadern verkleidete Bergfried der gräflichen Stammburg wirkungsvoll auf. Gemeinsam mit unbedeutenden Ruinen eines Rundturmes und des Mauerberings gilt er als charakteristischer Vertreter der staufischen Wehrarchitektur. Über die Geschichte der tausendjährigen Burg, des gräflichen Geschlechts und der ehemaligen Benediktinerabtei unterrichtet im nahe gelegenen Hauptort Sponheim eine museale Sammlung (Sponheim-Stube). Diese ist im neugotischen Rathaus untergebracht. Eine alte Flachsbreche (Darre) neben der Straße nach Waldböckelheim und das einstige Bann-Backhaus (1607; im Hof ein romanisches Laubkapitell, 12. Jh.) erzählen von der profanen Geschichte des Dorfes, während die alles überragende Abteikirche auf dem Feldberg so unübersehbar wie schon von fernher gewaltig zum Ausdruck bringt, daß ihrer Bedeutung als Glaubenshort hierzulande der Vorrang galt.
Sieht man von der nach einem Brand im Jahr 1707 der Vierungskuppel aufgesetzten geschweiften Turmhaube ab, so wirkt der monumentale Bau fast noch genauso, wie ihn ein Stich von Merian (um 1610) wiedergibt. 1044 hat Graf Eberhard als erster geschichtlich feststellbarer Sponheimer Regent die Kirche gegründet, 1101 erfolgte die Stiftung des Klosterwesens unter dem Grafen Stephan. Bis zur 1656 eingeführten Reformation waren es Benediktiner unter der gräflichen Schirmherrschaft, kirchlich vom Erzbistum Mainz abhängig, die in der Abtei und ihrem 1123 geweihten Gotteshaus lebten und wirkten. Spätere "Wiederbelebungsversuche", wie z. B. 1687 unter französischer Herrschaft, fruchteten auf Dauer für die mönchische Gemeinschaft wenig; 1808 kamen die Klostergüter als "Nationalgut"unter den Hammer. Nach diesem Ausverkauf blieb lediglich das Sakralgebäude als nunmehrige Kirche St. Maria und St. Martin erhalten. Diese Architektur, aufgeführt über dem Grundriß eines griechischen Kreuzes (zusammengesetzt aus fünf Quadraten), mit ihren drei östlich angebauten Apsiden ist jedoch auch ganz ohne die angeschlossenen Abteibauten großartig genug.
Drei verschiedene Bauperioden können deutlich unterschieden werden: Die Hauptapsis bis zum Bogenfries, der untere Teil beider Seitenapsiden sowie die Querhaussockel sind noch in die Zeit um kurz nach 1100 einzuordnen. Dann, nach einer Feuersbrunst 1156, erfolgte die Aufmauerung über diesen Teilen; auch die recht merkwürdig anmutende Bau-zier (z. B. das Adlerrelief außen an der südöstlichen Ecke sowie mit Flechtornamenten versehene Quadern am Chor) ist damals entstanden. Mit Recht wird hierbei auf stilgeschichtliche Parallelen im Elsaß (Marmoutier und Rosheim) hingewiesen. Als schließlich 1291 eine abschließende Einweihung der Abteikirche erfolgte, waren die Wölbungen, der Vierungsturm und die Querhäuser endlich fertiggestellt. Danach ergab sich eine gravierende Veränderung bloß noch durch den nach dem erwähnten Brand (1707) erforderlich gewordenen Ersatz des Turmhelms über der Vierung durch eine welsche Haube.
So interessant wie stilgeschichtlich relevant ist, gemessen an der in vielen Grundzügen und auch Details so ähnlichen frühgotischen ehemaligen Benediktinerabteikirche von Offenbach/Glan, das hier in Sponheim konsequent durchgezogene und ausgearbeitete romanische Schema. Dies ist auch an manchen Einzelheiten deutlich abzulesen: Die Kelchknospenkapitelle, die figürlichen Gestaltungen mit Adlerfiguren und mit Drachen sowie die (sachgemäß restaurierte) Ausmalung folgen noch dem alten Stil. Desgleichen verdient auch das in ansehnlichem Umfang erhalten gebliebene Bodenmosaik einige Beachtung, zu welchem sich Analogien im Kloster Arnstein an der Lahn und in der vorzüglich wiederherge-stellten Abteikirche von Rommersdorf (zwischen Bendorf-Sayn und Neuwied am Mittelrhein) erkennen lassen. Aber trotz all dieser Fakten und Vorzüge, welche die Klosterkirche Sponheim wirklich zu einem in der Tat unvergleichlich wichtigen Rang weit über die Region hinaus erheben, ist nicht zu verkennen, daß sie ein Torso geblieben ist: Dieser »kristallinisch reine Bau der Romanik«, wie ihn Carlheinz Gräter nannte, verfügt über kein eigentliches Langhaus; dessen Abschlußwand nach Westen trägt — seit vielen Jahrhunderten — sichtlich provisorische Züge.
Im Inneren kann man dank der guten Lichtverhältnisse eingehend alle Details der feinen Bauzier betrachten, die sich an Konsolen und Kapitellen bis hoch in die alles dominierende Vierungskuppel äußert. Der Baugestalt in all ihrer formalen Klarheit kommt die 1964 sorgsam wiederhergestellte Ausmalung zugute; am Chorgewölbe sind überdies die zart wirkenden Ornamente einer "Bandelwerkmalerei"von ca. 1720 zu erblicken.
Mit diesen typologischen Grundzügen und der Formvollendung auch im kleinen zeigt sich Sponheims betagte Abteikirche insgesamt vor allem als ein die harmonische Landschaft ringsum in jeglicher Hinsicht krönendes Bauwerk. Man sollte sich (und dies fällt nicht schwer) gedanklich in jene Zeit zurückzuversetzen suchen, als hier unter den gräflichen Schutzherren das klösterliche Leben in höchster Blüte stand. Heraus ragt aus jenen Zeitläufen der berühmte Abt Johannes Trithemius, der aus Trittenheim/Mosel gebürtige Naturwissenschaftler, Okkultist und Geschichtsschreiber, der von 1483 bis 1506 mehr schlecht als recht der Abtei vorgestanden hat. Von seinen weitreichenden Beziehungen, den Korrespondenzen und Begegnungen mit führenden Köpfen seiner Zeit (z. B. Jakob Wimpfeling, Mutianus Ruffus), von seiner zweitausendbändigen Bibliothek und den achtzig von ihm selbst verfaßten Büchern finden sich hier keine Spuren. Kaum etwas weiß man auch von seiner gewiß so vehementen wie intellektuell aufgeladenen Konfrontation mit Johann Georg Sabellicus Faustus, dem unter Franz von Sickingen in Kreuznach als Rektor der Lateinschule eingesetzten Erzzauberer und Schwarzkünstler.
Reformation des Glaubens und der Kirche lag damals schier ruchbar in der Luft, und Trithemius für seine Person tat vielleicht gut daran, der mangels Disziplin der damaligen Mönche ohnehin recht fragil gewordenen Klosterzucht zu Sponheim entschieden den Rücken zu kehren. In Würzburg suchte und fand er eine neue Wirkungsstätte; Tilman Riemenschneider schuf sein Grabmal in der dortigen Neumünsterkirche. War's Triumphgeschrei, das Faust von sich gab, als er auf der Sponheimer Klostermauer, Trithemius zu schaden, eine schwarze Messe zelebrierte?
Drei Kilometer nordöstlich Sponheim liegt Mandel, das mit der hübschen Gebäudegruppe seiner Kirche (1829/30), des klassizistischen Pfarrhauses (1789-91) nebst dem Renaissancejagdschlößchen der Freiherren von Koppenstein (Privatbesitz; Jahreszahl 1624 am Treppenturm) eine respektable Geschichtskulisse präsentiert. Im nahen St. Katharinen wurde 1219 über der Klause eines frommen Einsiedlers das Katharinenkloster errichtet, von dem aber nach der Auflösung 1574 außer schriftlichen Quellen nichts mehr übriggeblieben ist. Eine Marienkapelle (1858) steht am Platz der einstigen Klosterkirche.
Im übrigen fällt in dieser Gegend zwischen Nahetal und Soonwaldrand eine gewisse Häufigkeit der Wege- und Dorfkreuze auf, die zwar meistenteils der barocken Stilepoche entstammen, aber sicher auf der älteren Tradition jener Abteien fußen, deren Ende mit Einführung der Reformation im sponheimischen Gebiet gekommen war. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang letztlich eine Eheschließung im Jahr 1560: Beatrix, die letzte Äbtissin von St. Katharinen, wurde von Jakob Spira, dem letzten Sponheimer Abt, als Gemahlin heimgeführt.
Sommerloch mit seiner schlichten Ägidiuskirche und dem Fachwerkzehnthaus (16. Jh.) sowie Braunweiler (Kirche von 1758) sind freundliche Weinbaugemeinden in der Umgebung, und in Rozheim am Katzenbach wacht noch der mächtige Chorturm seiner Wehrkirche (13. Jh.; Schiff von 1738) über den Häusern. Von hier kommt man über Hargesheim nach wenigen Kilometern in die Kreistadt Bad Kreuznach oder kann an der Straßeneinmündung vor Rüdesheim nach rechts auf die B 41 abbiegen. Rüdesheims evangelisches Gottes-haus (1743) bezieht noch die Südwand einer älteren Kirche mit schönen Maßwerk- und Stichbogenfenstern von 1466 mit ein. Das benachbarte Weinsheim besitzt außer der zweitürmigen Pfarrkirche (1823-25) und der katholischen Herz-Jesu-Kirche (Neugotik, 1907/08) ein Rathaus (1576) der Renaissance mit einem Barockportal. Daneben gewahrt man ein altes Backhaus (Dorfbackes) von 1597; eine Anzahl schöner Fachwerkhäuser im Ortsinneren entstammt ebenfalls noch dem 16. Jahrhundert.
In beiden Dörfern — Rüdesheim und Weinsheim — zweigen von der B 41 Seitenstraßen nach Hüffelsheim ab, das Ritter Boos von Waldeck bei einem wüsten Trinkgelage auf dem Rheingrafenstein 1426 zugefallen sein soll. Gustav Pfarrius (1800-1884), der aus Heddesheim gebürtige und im 19. Jahrhundert überregional bekannte "Sänger des Nahetals", hat diesen Vorgang in einer Ballade verewigt. In der unter Einbeziehung spätgotischer Bauteile (Turm und Langhausmauern) 1706 erbauten Dorfkirche erinnert ein gemaltes Wappen daran. Das Steinrelief einer Kreuzigung (18. Jh.), eine schöne Kanzel (1718) und die Stumm-Orgel von 1803 sind betrachtenswerte Kunstwerke. Hüffelsheims interessantes Rathaus (um 1590) erhebt sich mit seinem Fachwerkgeschoß über einer Halle. Diese bildete bis 1980 eine Straßendurchfahrt; danach wurde das gesamte Gebäude um 90 Grad gedreht und seitlich an den jetzigen Standort versetzt. Sein runder Treppenturm enthält ein Portal (1595) mit Werksteingewände und muschelförmigem Aufsatz.
Ein Abstecher von Hüffelsheim (in Richtung Waldböckelheim) führt zum 1194 erstmals genannten Scholländer Hof, der damals aus dem Besitz der Grafen von Katzenelnbogen an Werner von Bolanden übertragen wurde. Es handelt sich um eine jener mittelalterlichen Hofgründungen, aus denen gewöhnlich größere Siedlungen entstanden. Hier aber bietet sich bis heute das Bild eines isolierten Feudalgutes (seit 1372 sponheimisch), dem man die geschichtliche Form noch rundweg abgewinnen kann. Die dazugehörige Michaelskapelle trägt zwar am Portal (Rokokotür) die Jahreszahl 1776, ist aber sicher erheblich älter.
Von Hüffelsheim über Traisen (gotische Kirche 14./15. Jh.) und Norheim gelangt man durch die Weinhänge jetzt wieder ins Nahetal. Unmittelbar unter dem gigantisch aufragenden Porphyrmassiv des zerklüfteten Rotenfels führt die Straße nach Bad Münster am Stein-Ebernburg. Das in den letzten Jahren mit städtebaulich nicht eben vorbildlichen Umgestaltungsarbeiten zur zeitgemäßen Verkehrsführung bedachte Kurbad verfügt über angenehme Anlagen im Bereich der Salinen bzw. Gradierwerke. An malerischen Bauten kann es seltene Objekte vorweisen, so das Fachwerkgebäude der Kurverwaltung (1781) und das 1911 errichtete Kurmittelhaus, gleichfalls in Fachwerk als höchst reizvolle Baugruppe mit Dekorationselementen des Jugendstils konstruiert. Das putzige Fischerhäuschen (18. Jh.) und manch idyllischer Winkel an den zum Naheufer führenden Sträßchen zeugen gleicherweise vom historischen Erbe in diesem 1195 als "monasterium ad lapidem" bezeichneten Ort. Von einer Kirche des 15. Jahrhunderts blieb beim Gemeindehaus an der Nahestraße noch der Turm erhalten, während die 1907/08 errichtete evangelische Kirche ein beachtenswertes Beispiel historisierender Architektur darstellt. Das katholi-sche Gotteshaus (1900) zeigt sich in neugotischem Stilgewand.
Bad Münsters großartigste Sehenswürdigkeit ist jedoch der am anderen Ufer, rechts der Nahe, das Städtchen und seinen ohnehin herrlichen Landschaftsrahmen als monumentales Naturgebilde dominierende Rheingrafenstein. Je nach Standort erblickt man ihn als zwei- oder dreifache Steilpyramide aus rötlichem Porphyr, bekrönt vom Adlerhorst der Burgruine. Nach dieser benannten sich im 11. Jahrhundert die Herren vom Stein, denen 1194 das Erbe der Rheingrafen und 1350 bzw. 1406 auch dasjenige der Wildgrafen zufiel. Mit einer kleinen Personenfähre gelangt man an den Fuß des Burgfelsens und kann in ca. 20 Minuten durch das anmutige Huttental zu den Ruinen hinaufsteigen, von wo sich ein prachtvoller Panoramablick öffnet. Zur Rechten erkennt man Bad Kreuznach und dahinter den Beginn der rheinhessischen Ebene, während zur Linken der Rotenfels und der im Mündungswinkel zwischen Nahe und Alsenz gelegene Stadtteil Ebernburg unter den restaurierten Bauten der Sickingerfeste den Blick einfängt.
Die Ebernburg, 1209 erstmals erwähnt und unter Franz von Sickingen als " Herberge zur Gerechtigkeit " bekannt geworden, wird heute als Tagungsstätte und Heimvolkshochschule genutzt (Burgrestaurant). Unterhalb erinnert im Ort das von Ludwig Cauer geschaffene Hutten-Sickingen-Denkmal mit den bronzenen Bildnisstatuen der beiden berühmten Männer an die reformatorische Umbruchszeit. Daran kann man sich desgleichen in der altehrwürdigen evangelischen Pfarrkirche (12./13. Jh.) erinnert fühlen: In dem mit seinem Wehrturm unter gemauertem Steinhelm inmitten des schattigen Friedhofes (darin Grabsteine des 18. Jh.) stehenden Gotteshaus hielt der Reformator Oekolampadius 1521 die erste Predigt in deutscher Sprache. Der 20 Meter hohe Turm gilt als ältestes Bauwerk der Romanik im Naheland. Er birgt noch Wappengrabsteine der Sickinger sowie eine 1429 gegossene Glocke. Kirchenschiff und Chor wurden 1512 erneuert; die Fenster entstammen romanischen und gotischen Bauperioden. Ebernburgs katholische Pfarrkirche erhebt sich als 1915-18 anstelle eines alten Vorgängerbauwerks errichtetes Stilgefüge aus neugotischen mit barocken Elementen und verfügt über ein Netzgewölbe im Chor. Eine hölzerne Skulptur
"Mariä Ohnmacht" soll noch aus dem 14. Jahrhundert stammen; die Muttergottes und eine Evangelistenfigur sind barocker Herkunft.
Außer der Burg, dem Reformatorendenkmal und den Kirchen sind im Ort auch das Amtshaus (16. Jh.) an der Burgstraße sowie die Häuserensembles des historischen Kerns stimmungsvolle Überreste der Vergangenheit, indes der idyllische Ort insgesamt mit dem den Hintergrund beherrschenden Rotenfels von der Burgzufahrt (Parkplatz vor der Brücke) einen unvergleichlichen Anblick bietet. Bevor man von hier durch das romantisch anmutende Salinental nach Bad Kreuznach fährt, sei als Alternative ein Umweg durch das Alsenztal und über den Rand der Kreuznacher Bucht angeraten, der zu wenig bekannten, gleichwohl aber sehr kostbaren Stätten der Kunst und der Geschichte führt.

Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987